Gicht

Epidemiologie und Pathogenese

Die Gichtarthritis ist die häufigste Ursache für Arthritis in Deutschland. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Erkrankung aus dem rheumatischen Formenkreis, sondern eine Kristallarthropathie. Infolge der Hyperurikämie kommt es zu Ablagerung von Uratkristallen bevorzugt peri- und intraartikulär im Gewebe, die letztlich in Form von Tophi sichtbar werden können. Der akute Gichtanfall wird durch lokale entzündliche Reaktion des angeborenen Immunsystems auf die Uratkristalle ausgelöst.

Gründe für die Hyperurikämie können das metabolische Syndrom, Niereninsuffizienz, Arzneimittelnebenwirkungen (u.a. durch Schleifendiuretika, Thiazide, Ciclosporin, Levodopa oder Zytostatik) oder auch Erkrankungen mit einem erhöhten Zellumsatz wie das Myeloproliferative Syndrom sein. In sehr seltenen Fällen kommen auch erblich bedingte Defekte des Purinstoffwechsels vor. Obwohl die Wahrscheinlichkeit für eine Gichtarthritis mit zunehmenden Harnsäurewerten ansteigt, entwickeln im Verlauf bei Weitem nicht alle Patienten mit einer Hyperurikämie auch eine Gichtarthritis: die Prävalenz steigt mit zunehmendem Alter an und sie betrifft verstärkt das männliche Geschlecht.

Leitsymptome und Manifestationen

Klassischerweise geht der akute Gichtanfall mit einer Monarthritis mit ausgeprägten Schmerzen („sogar die Bettdecke wird nicht toleriert“) und lokalen Entzündungszeichen einher (Schwellung, Rötung, Überwärmung, Funktionseinschränkung). In absteigender Häufigkeit sind hierbei Großzehengrundgelenk, Mittelfuß, Sprunggelenk mit Achillessehne, Knie und Ellenbogengelenk mit der Bursa olecrani betroffen. Häufig ist ein vorangegangener Auslöser wir eine besonders reichhaltige Mahlzeit oder Alkoholexzess zu eruieren. Nach wenigen Tagen klingt der Gichtanfall ab und es folgt ein individuell unterschiedlich langes beschwerdefreies Intervall.

Der chronische Verlauf kann, muss aber nicht mit aufgepfropften akuten Gichtanfällen einhergehen. Es kann zur Ausbreitung auch auf die kleinen Fingergelenke und symmetrischem Befallsmuster ähnlich der Rheumatoiden Arthritis kommen. In den Vordergrund treten dann häufig die zunehmenden Gelenkdeformationen, Funktionseinschränkungen und tophöse Ablagerungen.

Die Hyperurikämie kann ferner eine fortschreitende Niereninsuffizienz mitbedingen, zu Nephro- bzw. Urolithiasis führen und steht im Zusammenhang mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko.

Diagnostik

Die Harnsäure-Normwert wird abhängig vom analysierenden Labor bis ca. 6,8 mg/dl definiert. Während eines akuten Gichtanfalls kann der Harnsäurespiegel aber sowohl erhöht, als auch normal oder gar erniedrigt sein. Typischerweise wird der Gichtanfall von einer humoralen Entzündungskonstellation begleitet.

Zusätzlich kann der mikroskopische Nachweis von Harnsäuresalz-Kristallen im Gelenkpunktat aus dem befallenen Gelenk oder aus einem periartikulärem Tophus die Diagnose erhärten und die Differenzierung zu anderen Kristallarthropathien ermöglichen. Auch die Gelenksonographie kann wertvolle Hinweise auf die Arthritisursache liefern, wohingegen Veränderungen im Röntgen schon zu den Spätzeichen zu zählen sind. In unklaren Fällen beispielsweise bei polyartikulärem Verlauf hat sich das Dual Energy Computertomographie (DECT) als diagnostische Maßnahme etabliert.

Differenzialdiagnosen

Bei einer Monarthritis ist insbesondere bei älteren, multimorbiden und immunsupprimierten Patienten auch an eine septische Arthritis mit potenziell vitaler Gefährdung zu denken. Vor allem dann, wenn atypische Gelenke betroffen sind oder eine Endoprothese implantiert wurde, sollte eine diagnostische Gelenkpunktion zum Erregerausschluss angestrebt werden.

Vor allem bei polyartikulärem Verlauf kann die Abgrenzung zu einer Rheumatoiden Arthritis oder einer Spondyloarthritis schwierig sein und bisweilen kommen auch beide Erkrankungen nebeneinander vor.

Weitere Differenzialdiagnosen sind (aktivierte) Gelenksarthrose sowie Calciumpyrophosphat-Arthritis als weiterer Vertreter der Kristallarthropathien.

Therapie

Neben medikamentöser Therapie sind Lebenstilmaßnahmen zur Gewichtsnormalisierung, gesunder und ausgewogener Ernährung, Alkoholverzicht und sportlicher Bewegung eine wichtige Therapiesäule bei der Gicht. Unterstützend kann oftmals eine Ernährungsberatung über die zuständige Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Zur Optimierung des kardiovaskulären Risikos sollten auch weitere Erkrankungen des metabolischen Syndroms adäquat therapiert werden.

Die medikamentöse Therapie der Gichtarthritis kann weiter in die Akuttherapie des Gichtanfalls und die Dauertherapie zur Harnsäuresenkung und Anfallsprophylaxe unterteilt werden. Im akuten Gichtanfall ist der rasche Therapiebeginn bis einige Tage nach Abklingen des Anfalls entscheidend. Es kommen antiinflammatorisch und analgetisch wirksame Substanzen zur Anwendung: Gutes Ansprechen zeigt sich meist unter Nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR), die jedoch aufgrund der renalen Elimination bei Niereninsuffizienz kontraindiziert sind. Alternativ kann ein kurzzeitiger Steroidstoß zum Beispiel mit 20-30 mg Prednison erwogen werden. Colchicin ist bei der Behandlung des akuten Gichtanfalls, aber auch als mehrmonatige Therapie zur Anfallsprophylaxe unter Harnsäure-senkender Therapie effektiv, allerdings ebenfalls bei Niereninsuffizienz eingeschränkt anwendbar. In der Regel sind jedoch 1-3x 0,5mg/d ausreichend, höhere Dosierungen gehen meist mit einer höheren Nebenwirkungsrate ohne wesentlichen Zusatznutzen einher. In schweren Fällen kann außerdem eine Blockade des Interleukin-1-Signalwegs erwogen werden. Hierfür wurde der monoklonale, humane IL-1β-Antikörper Canakinumab zugelassen.

Zur Harnsäureabsenkung sind in erster Linie die Xanthinoxidase-Inhibitoren und Urikostatika Allopurinol und Febuxostat zugelassen und effektiv. Febuxostat weist zwar ein günstigeres Wirkungs-Nebenwirkungsprofil auf, ist jedoch aufgrund der höheren Kosten erst bei Unverträglichkeit oder Wirkungslosigkeit von Allopurinol und/oder fortgeschrittener Niereninsuffizienz zu verordnen. Xanthinoxidase-Inhibitoren dürfen nicht mit Azathioprin oder Mercaptopurin kombiniert werden, da es hierunter zu schwerer Knochenmarksuppression kommen kann. Seltener kommen noch die Urikosurika Benzbromaron oder Probenecid ggf. in Kombination mit Urikostatika zur Anwendung, die über die renale Harnsäureausscheidung ihre Wirkung entfalten und daher auf die Nierenfunktion und ausreichende Flüssigkeitsaufnahme geachtet werden muss. In schweren Fällen insbesondere im Rahmen eines Tumorlysesyndroms wird auch das Urikolytikum Pegloticase angewandt, das jedoch regelhaft zu Allergien und Ausbildung neutralisierender Antikörper führt.

Entgegen früherer Annahmen kann mit Harnsäure-senkender Therapie auch im akuten Gichtanfall begonnen werden, sofern zusätzlich eine antiinflammatorische Akuttherapie (v.a. Colchicum) erfolgt. Therapieziel ist eine Absenkung der Harnsäurewerte unter 6 mg/dl, worunter das Risiko für weitere Gichtanfälle zurückgeht und auch eine langsame Rückbildung der Tophi zu erwarten ist. Regelmäßige Kontrollen des Harnsäurespiegels aber auch der Retentionswerte sind hierunter empfohlen. Die Therapie sollte auch bei weiteren Gichtanfällen ohne Unterbrechung über mindestens 5 Jahre bzw. 5 Jahre nach Auflösen von Tophi fortgeführt werden.

Für weitere Informationen und ausführliche Empfehlungen zur Diagnose und Therapie der Gichtarthritis wird auf die Langfassung zur S2e-Leitlinie Gichtarthritis (fachärztlich), die evidenzbasierte Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) verwiesen.

Kontakt

Rheumazentrum-Heidelberg
Medizinische Klinik (Krehl-Klinik)
Prof. Dr. med. H. M. Lorenz

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