Sehr verehrte Patientin,
sehr geehrter Patient,

„Rheuma“ gibt es nicht! Es gibt sehr viele rheumatische Krankheiten, die nur teilweise untereinander gewisse Gemeinsamkeiten aufweisen, mache rheumatische Erkrankungen haben gar nichts miteinander zu tun, was Entstehung, Krankheitsbild und Behandlung betrifft.

Sie haben eines gemeinsam: den „rheumatischen“ Schmerz in den Bewegungsorganen, also in den Gelenken, in der Wirbelsäule, im Knochen, in der Muskulatur und in den Nerven. Das zweite Kennzeichen der rheumatischen Krankheiten ist die eingeschränkte Funktion, also die nicht mehr voll vorhandene Gebrauchsfähigkeit der Gelenke, der Gliedmaßen und der Wirbelsäule. Damit kennzeichnet der Begriff „Rheumatismus“ auch nicht eine bestimmte Krankheit, wie oft angenommen wird, sondern stellt den Sammelbegriff für all die verschiedenen rheumatischen Krankheiten dar. Viele sind seltene, manche aber recht häufige Krankheiten. Und wenn ein Kranker mit rheumatischen Beschwerden zum Arzt kommt, wird dieser mit entsprechenden Untersuchungen erst feststellen müssen, um welche spezielle rheumatische Erkrankung es sich handelt, damit diese auch entsprechend behandelt werden kann.

Darüber hinaus umfassen die sogenannten „rheumatischen“ Krankheiten auch entzündliche Erkrankungen des gesamten Organismus, sogenannte Kollagenosen oder entzündliche Bindegewebserkrankungen, Vaskulitiden oder entzündliche Blutgefäßerkrankungen oder immer wiederkehrende Fiebersymptome, die ebenfalls über das eigene Immunsystem vermittelt werden, die sogenannten rekurrenten Fiebersyndrome oder autoinflammatorischen Syndrome. Auch diese seltenen entzündlichen Erkrankungen werden von den Rheumatologen diagnostiziert und behandelt.

Im Folgenden können von den zahlreichen rheumatischen Erkrankungen nur die wichtigsten detaillierter erklärt werden.

( Verfasser:  Prof. Dr. med. Hartwig Mathies, 93074 Bad Abbach, überarbeitet von Prof. Dr. Hanns-Martin Lorenz, Heidelberg/Baden-Baden)

Die entzündlichen Gelenkerkrankungen gehen von der Gelenkinnenhaut, dem Synovium aus. Bei vielen Erkrankungen ist der Schaden behoben, wenn die Ursache der Entzündung beseitigt ist, und es bleibt kein Dauerschaden am Gelenk zurück. Das ist z. B. bei einer Reihe von Gelenkbeteiligungen bei Infektionskrankheiten, bei bestimmten anderen Erkrankungen, bei Allergien der Fall. Hierbei sind, auch wenn Infektionskrankheiten die Ursache sind, die Krankheitserreger in der Regel nicht im Gelenk selbst zu finden. Es gibt aber bei anderen Gelenkerkrankungen auch die Möglichkeit, dass Krankheitserreger ins Gelenk wandern und dort selbst die Entzündung verursachen. Bei wieder anderen Erkrankungen spielen jedoch Krankheitserreger wahrscheinlich gar keine Rolle, obwohl wir die letztendliche Ursache nicht kennen. Diese Erkrankungen sollen hier nicht im Einzelnen besprochen werden. Sie heilen nach entsprechender Behandlung aus.

Die Entzündung des Gelenkes (Arthritis) erkennt man nicht durch den Gelenkschmerz, sondern auch dadurch, dass der Gelenkschmerz bereits nachts oder früh morgens vor dem Aufstehen vorliegt, dass die Gelenke z.T. morgens versteift sind, dass die Gelenke z.T. heiß, rot und geschwollen sind und schließlich, dass die Symptome im Laufe des Tages und vor allem mit der Bewegung nachlassen. Dagegen ist die Arthrose (Gelenkabnützung) dadurch charakterisiert, dass die Gelenkschmerzen in Ruhe nicht vorliegen, erst beim Laufen auf dem betroffenen Gelenk (z.B. morgens nach dem Aufstehen für die ersten Schritte oder beim Treppabsteigen, was besonders für die Kniegelenke belastend ist) schmerzen, dass die Beschwerden durch einen Wetterwechsel häufig schlechter werden, dass die Patienten die betroffenen Gelenke (z.B. die Hände) eher in warmes Wasser halten wollen, die für die Gelenkentzündung typische Morgensteifigkeit liegt nicht vor. Nur selten kann mit einer Arthrose auch eine Entzündung („aktivierte Arthrose“) verbunden sein, die dann auch mit Rötung, Überwärmung und Schwellung einhergeht. Die Arthrose ist viel häufiger als die Arthritis, dagegen kann man gegen die Arthritis besser therapieren als gegen die Arthrose, hier hilft in der Regel nur die Schmerztherapie und Übungstherapie, am Ende steht bei voranschreitender Abnützung der Gelenkersatz.

Ia. Das sogenannte Rheumatische Fieber

Eine besondere Erkrankung ist das rheumatische Fieber. Der Name führt irre, weil die Krankheit nicht unbedingt mit Fieber einhergehen muss. Man spricht auch von „Streptokokkenrheumatismus“, weil bestimmte Bakterien, nämlich Streptokokken, die eine Halsangina hervorrufen, zur Auslösung der Krankheit notwendig sind. Es kommt nach einer solchen Streptokokkenangina, die man im Übrigen manchmal gar nicht bemerkt, zu der nach einigen Wochen wieder vorübergehenden Entzündung der Gelenke, die nicht selten von einer entzündlichen Herzerkrankung mit der Gefahr eines bleibenden Herzklappenfehlers begleitet wird. Diese Erkrankung ist heute sehr selten geworden.

Ib. Der chronische Gelenkrheumatismus – chronische Polyarthritis – Rheumatoide Arthritis

Die letztliche Ursache des chronischen Gelenkrheumatismus (von den Ärzten als „chronische Polyarthritis“, auch als „rheumatoide Arthritis“ bezeichnet) ist nicht bekannt. Die chronische Polyarthritis tritt häufiger bei Rauchern auf, der Nikotinabusus verschlechtert die Prognose dieser entzündlich-rheumatischen Erkrankung, darüber hinaus tritt die Rheumatoide Arthritis häufiger bei Patienten mit bestimmten Kariesbakterien auf. Genauere Details der Entstehung sind nicht bekannt.

Wir wissen aber, dass aus irgendeinem Grund der Körper in krankhafter Weise „Gegenstoffe“ (Antikörper) bildet und/oder eigene Immunzellen gegen die Gelenkinnenhaut lenkt. Dies würde unbehandelt zu einer Entzündung und langsamen Zerstörung des Knorpels sowie des gelenkbildenden Knochens und letztlich zur Gelenkversteifung führen. Durch die häufige Mitbeteiligung der Sehnen und Sehnenscheiden mit Entzündung und Schrumpfung werden zusammen mit der Gelenkzerstörung Fehlstellungen in den Gelenken gefördert. Bei mangelnder Bewegung der Gelenke droht auch die zugehörige Muskulatur an Substanz zu verlieren.

Die frühzeitig notwendige Behandlung zur Abwendung dieser schlimmsten Endzustände richtet sich in erster Linie gegen die Bildung und das Wirken der Antikörper sowie der Immunzellen, somit gegen die Entzündung im Gelenk. Man muss dabei wissen, dass sich Gelenkzerstörungen leider nicht rückgängig machen lassen, umso wichtiger ist also die frühe und ständige Behandlung durch den internistischen Rheumatologen. Heute lässt sich eine Gelenkzerstörung meist recht gut verhindern, sollten die Patienten sich nicht der schulmedizinischen Therapie entziehen.

Im Übrigen gibt es noch eine Reihe seltenerer chronischer Erkrankungen mit einer Gelenkbeteiligung, die der des chronischen Gelenkrheumatismus ähnlich sind und auch ähnlich behandelt werden, nach heutigen Kenntnissen stellen sie jedoch bezüglich der Entstehung und des Krankheitsgeschehens gesonderte rheumatische Krankheiten dar.

Ic. Die Arthritis nach einer Darm- oder Harnwegsinfektion

Nach Darm- oder Harnwegsinfektionen treten vor allem bei manchen Personen, die einen erblichen Faktor (HLA-B27) aufweisen, eine Gelenkentzündung teils mit Wirbelsäulenbeteiligung auf, die in der Regel ohne Gelenkzerstörung nach Wochen bis Monaten wieder abheilt. Medizinisch nennt man diese Erkrankung „postinfektiöse reaktive Arthritis“ bzw. bei Wirbelsäulenbeteiligung „Spondyloarthritis“. In seltenen Fällen chronifiziert diese Gelenkentzündung, dann muss man auch antientzündlich behandeln wie unter Ib geschildert.

Id. Die Gicht

Eine völlig andere und ebenfalls häufige entzündliche Gelenkerkrankung ist die Gicht. Es werden viele rheumatische Gelenkerkrankungen fälschlich als Gicht bezeichnet, nur weil sie auch mit Gelenkfehlstellungen und Knoten in Gelenknähe einhergehen, so z. B. die chronische Polyarthritis oder eine Arthrose der Fingerendgelenke. Die Ursache einer Gicht liegt in dem Ausfallen von Harnsäurekristallen im Gelenk und der dadurch verursachten Entzündung. Die Harnsäure ist in erster Linie das Endprodukt des chemischen Abbaus der Zellkerne. Sie heißt „Harnsäure“, weil sie normalerweise neben vielen anderen Abbaustoffen in genügender Menge mit dem Harn ausgeschieden wird. Die Ursache ist eine vermehrte, manchmal krankhafte Störung der Bildung und der Ausscheidung der Harnsäure.

Bei der Gicht fällt die Harnsäure in Kristallform u. a. in den Gelenken aus, wirkt dort als Fremdkörper und ruft so eine Gelenkentzündung, den Gichtanfall, hervor. Eine lang dauernde Gicht mit wiederholten Anfällen kann auch zu einer Gelenkzerstörung führen.

Die Behandlung allein des Anfalls geschieht mit bestimmten Medikamenten: spezifisch mit Colchicin und mit bekannten antirheumatischen Mitteln wie Diclofenac. Die Gichtanfälle können mit Medikamenten verhindert werden, die entweder eine vermehrte Harnsäureausscheidung durch die Niere erzwingen oder die vermehrte Harnsäurebildung verhindern. Diese Mittel müssen in der Regel aber zeitlebens genommen werden, sonst kommt die Erkrankung unweigerlich wieder. Eine strikte Diät mit Gewichtsreduktion ist ein wichtiger Bestandteil der Therapie.

Da die Ausscheidung der Harnsäure durch die Nieren erfolgt, kann es auch dort zur Ablagerung und zu Nierensteinen kommen, deshalb leiden auch zahlreiche Gelenkgichtkranke an Nierensteinen. Ihr Arzt wird deshalb u. U. auch ein Mittel verordnen, mit dem der Urin in einen chemischen Zustand gebracht wird, in dem sich Harnsäuresteine im Urin nicht bilden können.

Auch bei den Erkrankungen der Wirbelsäule gibt es entzündliche und nichtentzündliche rheumatische Erkrankungen.

IIa. Die Bechterew’sche Erkrankung – Ankylosierende Spondyloarthritis

Es gibt wie beim chronischen Gelenkrheumatismus eine entzündliche Erkrankung der Gelenke der ganzen Wirbelsäule, die ihre Ursache im körpereigenen Immunsystem hat (autoimmun), und bei der wir die eigentliche auslösende Ursache nicht kennen. Nur wissen wir bei dieser Wirbelsäulenerkrankung, die wir Bechterew’sche Krankheit (oder ärztlich Spondylitis ankylosans oder Spondylitis ankylopoetica) nennen, dass, mit wenigen Ausnahmen, das Gen HLA-B27 (wie oft bei der reaktiven Arthritis) die Grundlage für den Ausbruch der Erkrankung ist. Es kommt bei der Bechterew’schen Erkrankung zur Entzündung der Gelenke, die die Wirbel miteinander und die Wirbel mit den Rippen verbinden, und vor allem auch zu einer Beteiligung der Bandscheiben, die zwischen den Wirbelkörpern liegen. Auch die Verbindung zwischen Kreuz- und Darmbein ist von der Krankheit frühzeitig betroffen und führt zu den typischen und nächtlich-frühmorgendlichen tief sitzenden Kreuzschmerzen. Auch Hüft- und Schultergelenke sind öfter beteiligt, ebenso die Sehnenansätze, hier typisch die Achillessehnenansätze an den Fersenbeinen. Der Endzustand ist auch hier eine Verknöcherung und damit Versteifung der nach vorn sich beugenden Wirbelsäule, falls nicht behandelt wird. Dazu kommen noch Knochenspangen, die die Wirbel miteinander verklammern. Auch die Wirbel-Rippengelenke sind beteiligt mit der Folge der Atembehinderung durch die aufgehobene Brustkorbatmung. Mit antirheumatischen Mitteln werden die Schmerzen direkt an der Wirbelsäule gebessert. Mindestens genauso wichtig, wenn nicht noch wichtiger als beim chronischen Gelenkrheumatismus, ist die Bewegungsbehandlung zur Verhinderung der Verkrümmung und Versteifung. Darüber hinaus gibt es mittlerweile sehr potente, wenn auch teure antientzündliche Medikamente, die auch die Entzündung der Wirbelsäule eindämmen können.

IIb. Andere Spondyloarthritiden

In ähnlicher Symptomatik, wenn auch in einem anderen entzündlichen Kontext entstehen Wirbelsäulenentzündungen bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie dem M. Crohn oder der Colitis ulcerosa, im Rahmen einer Schuppenflechte (Psoriasis) oder einer nicht näher definierbaren, undifferenzierten Spondyloarthritis. Hier muss die Therapie auch die andersartig zugrunde liegende entzündliche Erkrankung mit berücksichtigen: So können z.B. NSAR, die für die Wirbelsäule gut wären, eine Verschlechterung der Darmentzündung auslösen, so dass sie in der Therapie des M. Crohn / der Colitis ulcerosa nicht sehr beliebt sind.

IIIa. Die Gelenkarthrose

Die Arthrosen der Gelenke entstehen durch Abnützung und Überlastung des Gelenkknorpels. Es kommt hier zu zunehmendem Verschleiß des Knorpels und schließlich zur Schädigung des Knochens, der darüber hinaus mit Knochenanlagerungen reagiert, die ihrerseits die Gelenkbeweglichkeit beeinträchtigen. Entzündliche Vorgänge gibt es hier höchstens als Begleiterscheinung infolge Reizung durch abgeriebenen Knorpel und Knochen. Warum kommt es nun aber zu diesem Knorpelverschleiß? Die natürliche Alterung des Knorpels führt zu einer Verminderung seiner Elastizität und damit seiner Stoß dämpfenden Eigenschaften. Damit wird aber auch die Durchsaftung und Ernährung des Knorpels schwieriger. Diese Tatsache allein führt jedoch meist noch nicht zu einer Arthrose. Meist wird es so sein, dass ein Knorpel, der sonst einer normalen Belastung noch standgehalten hatte, durch Mehrbelastung geschädigt wird. Diese Mehrbelastung kann den gesamten Knorpel eines oder mehrerer Gelenke betreffen oder auch durch besonders gerichtete Belastung an einem Teil des Knorpels zur anfänglichen Schädigung führen, die sich dann jedoch auf den ganzen Knorpel ausbreitet. Gerade bei der Fingelgelenkspolyarthrose kommen genetische Faktoren dazu.

Ursachen für solche Überlastungen und Fehlbelastungen sind beispielsweise berufliche Überlastungen (z. B. eines Beines), Mehrbelastung eines Beines infolge Verkürzung des anderen oder durch Schonung des anderen (z. B. nach Unfall) oder nach Amputation des anderen Beines, nach angeborenen Schiefhaltungen, nach schlecht verheilten Knochenbrüchen, Störungen im Aufbau des Gelenkes selbst usw. Aber auch ein Übergewicht stellt eine zusätzliche Überbelastung für einen für normales Gewicht und die Lebensdauer von vielleicht 30-40 Jahren gebauten Gelenkknorpel dar.

Ein einmal geschädigter Knorpel kann nicht wieder nachwachsen. Auch mit Hilfe eines Medikamentes kann er das nicht. Durch weitere Mittel und besondere Anwendungen bekämpft man den Schmerz und die Muskelverspannung, den erhöhten Druck auf den Knorpel sowie die evtl. begleitende Entzündung. Schließlich gibt es die Gelenkersatzoperationen des Gelenkes, die jedoch nur die letzte Therapiemöglichkeit darstellen. Leider ist es bis heute nicht gelungen, Medikamente zur Stärkung und/oder zum Nachwachsen des Knorpels zu erfinden. Eine Bewegung unter Entlastung ist für die Arthrose die bestgeeignete Therapiemethode, z.B. Schwimmen.

Die Arthrose ist wegen der speziellen Belastungsverhältnisse weitaus am häufigsten in den Knie- und Hüftgelenken. Eine besondere Form ist die Fingergelenksarthrose mit Knoten über den Mittel- (Bouchardarthrose) oder End- (Heberdenarthrose) gelenken.

Auch an der Wirbelsäule kennen wir „Verschleißerscheinungen“ wie bei den Gelenken, nur wirken sich diese an der Wirbelsäule natürlich anders aus. Es können die Zwischenwirbelgelenke „arthrotisch“ erkranken, im Vordergrund steht jedoch der Bandscheibenschaden mit seinen vielfältigen Folgeerscheinungen. Die Bandscheibe, die zusammen mit den benachbarten Wirbeln so etwas Ähnliches wie ein Gelenk bildet, ist auch aus Knorpel, büßt an Elastizität ein und kann schließlich, unterstützt durch Überlastung und Fehlbelastung, zerstört werden.

Ähnlich wie bei den Gelenken reagieren die Wirbelknochen dabei gern mit knöchernen Auswüchsen, die die Wirbel auch überbrücken können. Die Zerstörung der Bandscheibe kann aber auch, unterstützt durch ungünstige Bewegungen, zu einem schmerzhaften „Herausgleiten“ des Bandscheibenkernes führen. Dieser kann auf die Nerven drücken, die an dieser Stelle die Wirbelsäule verlassen. Es gibt Nerven, die für die Schmerzempfindung, solche, die für die Bewegung des Körpers und solche, die für die Ernährung, Durchblutung usw. der Gliedmaßen verantwortlich sind. Und je nachdem, welche Nerven hier getroffen werden, kann es zu Schmerzausstrahlungen, Lähmungen oder, besonders im Bereich der Hände, zu Schwellungen usw. kommen. Alle Nerven, die den menschlichen Körper versorgen, kommen aus dem Gehirn oder aus dem Rückenmark und verlassen dieses durch Löcher zwischen zwei Wirbeln. Daher kann es auch fern von der Wirbelsäule zu Ausstrahlungsbeschwerden kommen, je nachdem, welche Fasern der Nerven geschädigt wurden (z.B. „Ischiasschmerz“). Ein Nerv besteht ja aus vielen Fasern – so wie ein Kabel aus vielen Strängen besteht – von denen jede einen bestimmten Bezirk versorgt. Eine Reizung der das Bein versorgenden Nerven nennt man „Ischias“. Bei diesen Ereignissen spielen auch wieder Muskelverspannungen, teils als Reaktion auf den Schmerz, eine große Rolle.
Allerdings kann es auch schon bei jüngeren Menschen zu ausstrahlenden Wirbelsäulenbeschwerden kommen, ohne dass wir von Abnutzungserscheinungen sprechen können. Hier genügen oft schon Fehlhaltungen und Muskelverspannungen, um erhebliche Schmerzen auszulösen. Die Muskelverspannungen selbst können schon Schmerzen verursachen, sie verstärken aber auch die Fehlhaltung der Wirbelsäule und den Druck eines Wirbels auf den anderen. Es können hierdurch auch direkt oder indirekt Druckerscheinungen auf die Nerven ausgeübt werden. Unser tägliches Leben bietet Ursachen für Fehlhaltungen genug, wobei das Gefährlichste die angespannte Haltung der Wirbelsäule über längere Zeit ist. Die Ursachen liegen in den nur scheinbar bequemen aber oft nicht gesunden, weil nicht der Wirbelsäule angepassten Betten und Stilmöbeln, in beruflich bedingten Haltungen der Wirbelsäule (am Fließband, beim Schreibmaschineschreiben, Arbeiten in ständig gebückter Haltung usw.) und mangelnder lockernder Bewegung (am Schreibtisch, im Auto usw.), an den Gegebenheiten in der Schule und zu Hause (ungeeignete Stuhl- und Tischhöhen) und in vielem mehr.

Die Behandlung zielt hier auf die Beseitigung der Ursache sofern möglich, auf die Lockerung der die Wirbelsäule begleitenden Muskulatur, auf Entlastung und ausreichende Bewegung der Wirbelsäule und auf die Schmerzbekämpfung ab. Auch hier ist eine einmal eingetretene Zerstörung der Bandscheibe und eine eventuelle Verknöcherung der Wirbel miteinander natürlich nicht mehr zu beseitigen. Dennoch kann man wenigstens gegen das Fortschreiten doch noch einiges tun, hier insbesondere neben Schmerztherapie und Physiotherapie die Gewichtsabnahme und Entlastung der Wirbelsäule.

Kollagenosen sind entzündliche Bindegewebserkrankungen und betreffen damit neben den Gelenken auch andere Strukturen des Körpers.  Es können alle Organe befallen sein, wenngleich Haut, Herz, Lunge und Nieren neben den Gelenken die meist betroffenen Organe darstellen. Durch bisher nicht geklärte Ursachen kommt es hier ebenfalls zu einer Aktivierung des eigenen Immunsystems, das sich in einer Entzündungsreaktion gegen den eigenen Körper richtet (Autoimmunerkrankung).

Meist müssen sie deshalb auch gezielt mit sogenannten Immunsupressiva und auch mit Cortisonpräparaten behandelt werden, damit man sie beherrscht. Im Allgemeinen unterscheidet man bei den Kollagenosen fünf Erkrankungen: den systemischen Lupus erythematodes, den M. Sjögren, die Dermato-/Polymyositis, die systemische Sklerose und die Mischkollagenose. Darüber hinaus existieren Überlappungskrankheiten mit Autoimmunerkrankungen anderer Organe, z.B. der Autoimmunhepatitis, dies wird dann als „Overlap“-Kollagenose bezeichnet.

Va. Der systemische Lupus erythematodes (SLE)

Der SLE ist eine seltene, manchmal schwierig zu diagnostizierende, gelegentlich schwer verlaufende Erkrankung, die nicht nur die Gelenke betrifft, sondern viele Organe in Mitleidenschaft ziehen kann. Die Labordiagnostik wird wie bei anderen Kollagenosen auch antinukleäre Antikörper nachweisen, typisch für den systemischen Lupus erythematodes sind Antikörper gegen Doppelstrang-DNA und Nucleosomen, also Bausteine des Zellkerns.

Vb. Systemische Sklerose

Diese Autoimmunerkrankung führt zu einer Verdickung der Haut durch die Entzündung, dadurch kommt es zu einer Bindegewebsablagerung, einer Vernarbung der kleinen Blutgefäße und Haut (Sklerose). Dies fällt zunächst an den Fingern auf, kann jedoch auch die inneren Organe befallen. Hier besonders kritisch ist die Lunge, denn die Lungenfibrose verengt durch einen Schutzreflex die Gefäße der Lungenstrombahn, was das rechte Herz belastet, das dann in seiner Funktion den gestiegenen Drücken in diesem Kreislauf langfristig nicht mehr gewachsen ist . Durch die bindegewebige Ablagerung können Speiseröhre / Magen und Darm befallen sein, seltener Herz und Nieren. Typisch, wenn auch nicht immer vorhanden ist das durch Kälte provozierte Absterben der Finger, die Finger färben sich dann weißlich oder bläulich, manchmal führt dies zu einem Einreißen der Finger über den Fingerkuppen.

Vc. Dermato- / Polymyositis

Diese seltene, chronisch-entzündliche Erkrankung der Muskulatur mit (Dermatomyositis) und ohne (Polymyositis) Hautbeteiligung (vor allem im Gesicht, an den Händen und sonstigen sonnenexponierten Stellen) äußert sich durch zunehmende Muskelschwäche mit Schmerzen und Muskelschwund besonders an den Schultern/Oberarmen und Oberschenkeln. Bei älteren Patienten wird gelegentlich ein bösartiger Tumor gefunden, so dass die Muskelentzündung als ein Begleitphänomen der Immunreaktion gegen den Tumor gedeutet wird („Paraneoplasie“). Eine Gelenkbeteiligung ist relativ häufig, auch hier gibt es ein Raynaud-Syndrom, allerdings seltener als bei systemischer Sklerose.

Vd. Sjögren-Syndrom

Das Sjögren-Syndrom ist eine Kombination von Entzündung der Tränendrüsen mit Versiegen der Tränenflüssigkeit und Entzündung der Speicheldrüsen mit Mundtrockenheit und auch Beteiligung anderer Drüsen. Diese Erkrankung ist oft Begleitungssymptom anderer Kollagenosen oder auch der chronischen Polyarthritis. Typisch ist, dass die Trockenheit der Schleimhäute, z.B. im Mund dazu führt, dass ein trockenes Brot nicht mehr durchfeuchtet und dann geschluckt werden kann, ohne dass der Patient etwas dazu trinkt.

Ve. Mischkollagenosen

Wie der Name sagt, handelt es sich hierbei um Überschneidungen der Symptome verschiedener Kollagenosen; so kann diese Erkrankung, die man auch „Sharp-Syndrom“ nennt, Zeichen des SLE, der systemischen Sklerose oder der Polymyositis aufweisen.

Bei diesen seltenen Erkrankungen handelt es sich um eine Entzündung von Blutgefäßen, die durch eine Immunreaktion gegen das Blutgefäß ausgelöst wird. Auch hier ist das eigene Immunsystem wieder überaktiv, so dass es sich um eine Autoimmunerkrankung handelt. Je nach Größe der betroffenen Gefäße unterscheidet man Kleingefäßvaskulitiden, Vaskulitiden der kleinen und mittelgroßen Gefäße sowie Großgefäßvaskulitiden. Beispiele für Kleingefäßvaskulitiden ist die leukozytoklastische Vaskulitis oder die Purpura Schoenlein Henoch, die Thrombangiitis obliterans (Winiwarter-Bürger), die praktisch nur bei Rauchern auftritt. Bei diesen Gefäßentzündungen handelt es sich um Erkrankungen, die häufig durch ein auslösendes Ereignis wie einen viralen Infekt oder die Einnahme eines Medikaments verursacht wird. Das Absetzen des Medikamentes hilft hier häufig nicht, so dass auch hier immunsuppressiv therapiert werden muss. Typische Beispiele für Vaskulitiden von mittelgroßen Gefäßen ist die Granulomatose mit Polyangiitis (Wegner’sche Granulomatose), die Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (Churg-Strauss-Vasculitis) oder die Panarteriitis nodosa.

VIa. Granulomatose mit Polyangiitis – Wegener’sche Granulomatose

Diese seltene, sehr unterschiedlich verlaufende Erkrankung ist eine ursächlich noch nicht geklärte, von den Blutgefäßen ausgehende Erkrankung mit Bildung von Granulomen (entzündliche Gewebswucherungen), wobei zahlreicher Organe durch die Entzündung attackiert werden können (Nasennebenhöhlen, Rachen, Kehlkopf, Luftröhre, Bronchien Lunge, Niere, Gelenke, Augen, Haut, Ohren) mit entsprechenden klinischen Erscheinungen. Neben dem typischen Bild in der Gewebeprobe sind im Serum häufig Autoantikörper gegen ein bestimmtes Enzym zu finden, die Proteinase 3 (c)ANCA.


VIb. Eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis – Churg-Strauss-Vaskulitis

Auch hierbei handelt es sich auch um eine ANCA-assoziierte Vaskulitis, allerdings richtet sich der Autoantikörper in der Regel gegen die Myeloperoxidase. Die Patienten mit eosinophiler Granulomatose mit Polyangiitis sind meist Allergiker, durch die Vaskulitis sind häufig die Lungen und die Nasennebenhöhlen befallen, darüber hinaus kann auch das Herz in Mitleidenschaft gezogen sein sowie die Gefäße, die die Nerven befallen, daher klagen die Patienten oft über einen Nervenschmerz oder ein Taubheitsgefühl und Gefühlstörungen (Polyneuropathie). Häufig leiden die Patienten zusätzlich unter Asthma bronchiale, auch dies am ehesten durch die allergische Veranlagung bedingt.


VIc. Polyarteriitis nodosa – mikroskopische Polyangiitis

Früher wurde diese Art der Gefäßentzündung unter dem Begriff der Panarteriitis nodosa subsumiert, inzwischen weiß man, dass es sich dabei um zwei unterschiedliche Krankheiten handelt. Die mikroskopische Polyangiitis gehört zu den ANCA assoziierten Vaskulitiden, befällt häufiger die Nieren und hat insgesamt eine schlechtere Prognose im Vergleich zur Polyarteriitis nodosa, die eher mittelgroße bis große Gefäße befällt, sehr häufig ist hier die Darmarterie mit befallen. Klassisch ist das Aussacken der Gefäßwand (Aneurysma), das man in der Kontrastmitteldarstellung der Gefäße sehen kann. Eine Unterform der Polyarteriitis nodosa geht einher mit einer Hepatitis B-Infektion, so dass diese zunächst ausgeschlossen werden muss, denn die antivirale Therapie ist hier der reinen entzündungsunterdrückenden Therapie überlegen. Auch hier können durch den Befall von Nervengefäßen Nervenschmerzen auftreten oder Taubheitsfühl. Ein Bluthochdruck könnte durch einen Befall der Nierenarterie bedingt sein, gelegentlich kommt es zu Herzinfarkten durch eine Entzündung der Herzkranzgefäße.


VId. Großgefäßvaskulitiden – Takaysu-Arteriitis – Riesenzellarteriitis

Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um ganz ähnliche Krankheitsformen, die zum einen bei jüngeren Patientinnen (Takayasu-Arteriitis) oder bei älteren Patienten und Patientinnen (Riesenzellarteriitis) auftreten können. Typisch ist, dass im Gewebeschnitt hier große Entzündungszellen nachgewiesen werden, die der Pathologe als Riesenzellen beschreiben wird. Diese Form der Gefäßentzündung führt zu einer Verengung, selten zu einem Verschluss großer Gefäße. Die Patientinnen mit Takaysu-Arteriitis spüren dies entweder durch ein Kribbeln und Erlahmen der Muskulatur oder oberen Extremität bei Überkopfarbeiten, vielleicht wird der Hausarzt auch einen Bluthochdruck (durch Messung auf der nicht befallenen Seite oder am Ober/Unterschenkel) feststellen, denn zu 30% sind auch die Nierenarterien befallen, die Niere reagiert auf die mangelnde Blutversorgung durch eine Erhöhung des Blutdrucks. Auch alle anderen großen Gefäße können befallen sein. Fatal ist, wenn sich die Gefäße durch die Entzündung verschließen. Dies kennt man eher bei der Riesenzellarteriitis des älteren Patienten, bei der ein Absterben eines teils der Kopfhaut oder auch eine akute Erblindung eintreten kann durch einen Verschluss des entsprechenden Blutgefäßes. Alarmsignale hierfür sind messerstichartige Schläfenkopfschmerzen, Hautschmerzen über der Schläfe und am Kopfdach, plötzlicher Verlust des Augenlichtes für einige Minuten (oder länger!) oder Schmerzen in der Kaumuskulatur nach längerem Kauen. Der Hausarzt wird in der Regel sehr hohe Entzündungswerte im Blut finden, manchmal ist diese Art der Gefäßentzündung von einem Muskelschmerz begleitet, der ähnlich wie bei der Polymyositis die Muskeln der Oberarme oder Oberschenkel / der Gesäßmuskulatur befällt (Polymyalgia rheumatica). Ziel der Therapie muss es sein, die Entzündung optimal zu kontrollieren um das Risiko der Organschäden zu minimieren. In der Regel sollte eine ASS-Therapie bei den Riesenzellarteriitiden begleitend durchgeführt werden.

Auswirkungen der rheumatischen Erkrankungen hinsichtlich Arbeitsfähigkeit und Selbstversorgung

Je nach der vorliegenden rheumatischen Erkrankung und deren Schwere hat sie eventuell entscheidenden Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit, auf die Möglichkeit der häuslichen Selbstversorgung usw. Die sogenannten entzündlichen Gelenkerkrankungen waren früher die häufigsten Ursachen der Frühberentung, durch die optimierte Therapie lässt sich dies heute häufig bei konsequenter Durchführung der Behandlung verhindern. Hierbei ist jedoch auch die Mitarbeit der Patienten dringend notwendig.

Das Ziel einer Rheumabehandlung wird deshalb sein, die Leistungsfähigkeit des Rheumatikers so lange wie möglich zu erhalten. Dazu bedarf es aber auch des Willens und der Einsicht des Patienten. Neben den Erfolgen der ärztlichen Behandlung mit dem Ziel, die Krankheitsentwicklung so gut wie möglich aufzuhalten, gibt es noch viele Möglichkeiten, die Leistungsfähigkeit, also die Arbeitsfähigkeit im Beruf und die Fähigkeit zur Ausübung der Hausarbeit und zur Selbstversorgung zu Hause zu erhalten. Durch die optimierte Therapie ist die Frühberentung heutzutage in der Regel  gar nicht mehr nötig. Dennoch sind die Akutversorgung der Patienten mit entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sowie die Rehabilitationsmaßnahmen immer noch notwendig, um nach erfolgreicher Therapie des akuten Schubes die Einsatzfähigkeit des Patienten auch langfristig zu erhalten und gewährleisten.

Kontakt

Rheumazentrum-Heidelberg
Medizinische Klinik (Krehl-Klinik)
Prof. Dr. med. H. M. Lorenz

Im Neuenheimer Feld 410
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