Fibromyalgie oder Generalisierte Tendomyopathie (GTM)

Hauptbeschwerden sind Schmerzen in vielen Körperabschnitten, fast immer an der Wirbelsäule, vor allem im Kreuz und an der Halswirbelsäule. Obwohl die Gelenke selbst nie beeinträchtigt werden, schmerzt meist der gelenknahe Bereich, z.B. der Schultern, Ellbogen, Hände, Knie und Sprunggelenke. Schmerzhafte Muskelverspannungen können auch am Hinterkopf und am Brustbein vorkommen und sogar in der Gesichts- und Kiefermuskulatur. Die Schmerzen verstärken sich oft bei längerem Sitzen ohne Bewegung und längerem Verharren in einer Lage, dadurch meist auch nachts.

Häufig bestehen Ein- und Durchschlafstörungen, Müdigkeit (am Morgen wird der Schlaf nicht als erholsam empfunden), Erschöpfung und Leistungsabfall. Weitere Beschwerden können sein: Kopfschmerzen, Kloßgefühl im Hals, Gefühlsstörungen an Händen und Füßen, Magen- und Darmbeschwerden, Menstruationsschmerzen, Herzjagen, Atemnotgefühl, Konzentrationsstörungen und allgemein erhöhte Schmerzempfindlichkeit. Hinzu kommen nicht selten seelische Verstimmung oder Angstgefühle. Die Fülle der Beschwerden kann dazu fuhren, dass es Fibromyalgie-Betroffenen schwerfällt, ein „normales Leben“ zu führen.

Wie kommt es zu der Erkrankung?

Nach heutigen Erkenntnissen beruht die Entwicklung der Fibromyalgie nicht auf einer einzigen Ursache, sondern kommt durch mehrere Faktoren zustande, wobei sicher auch eine persönliche Veranlagung eine Rolle spielt. Die Krankheit fördern kann z.B. chronischer, schlecht verarbeiteter Stress im häuslichen Alltag wie im Berufsleben. Auch eingreifende Veränderungen im sozialen Leben, Todesfälle naher Angehöriger, psychische und/oder körperliche Überlastung, andere schwere Erkrankungen oder Fehlhaltungen, Bänderschwäche (Gelenküberbeweglichkeit), starkes Übergewicht u.a. kann zu Fibromyalgie führen. Die Fibromyalgie kann auch als Sekundärerkrankung infolge einer anderen Erkrankung auftreten z. B. bei einer chronischen Polyarthritis. Zur Zeit wird geforscht, ob auch biochemische Störungen im Körper für die Erkrankung eine Rolle spielen.

Wie verläuft die Erkrankung?

Das volle Krankheitsbild entwickelt sich selten in kurzer Zeit, und die Beschwerden beginnen an ein oder zwei Körperstellen, sehr oft am Rücken, und breiten sich dann über Arme und Beine aus; die Schmerzen werden stärker, der Verlauf wird chronisch. Hinzu treten häufig allgemeine Beschwerden, wie etwa Schlafstörungen.

Bei jeder zweiten Patientin ist der Verlauf wellenförmig mit zeitweiser Besserung und Verschlechterung. Im Tagesverlauf sind die Beschwerden oft morgens am stärksten. Auch im Frühjahr und Herbst treten sie häufiger auf, vermutlich, weil die Erkrankten auf Nässe und Kälte negativ reagieren.

Durch therapeutische Maßnahmen kann in aller Regel eine Besserung der Schmerzzustände und anderer Beschwerden sowie der Lebensqualität erreicht werden, wenn auch ein Teil der Beschwerden bestehen bleiben wird. Trotz des chronischen und belastenden Schmerzcharakters ist die Erkrankung nicht lebensbedrohlich und führt auch bei langem Verlauf nicht zur Gelenkversteifung oder Zerstörungen der Gelenke, Wirbelsäule, der Muskulatur oder innerer Organe.

Viele Namen für eine Krankheit

  • Fibromyalgie-Syndrom
  • Fibromyalgie
  • Generalisierte Tendomyopathie
  • Generalisierter Weichteilrheumatismus
  • Fibrositis-Syndrom (ein alter Begriff, der nicht mehr benutzt werden sollte.)

Wie läßt sich die Fibromyalgie diagnostizieren?

Viele Betroffene haben eine langjährige Odyssee von Arzt zu Arzt hinter sich, bis sie endlich die eindeutige Diagnose erfahren. Oft wurden ihre Beschwerden nicht ernst genommen oder falsche Diagnosen gestellt, weil nur bestimmte Symptome berücksichtigt wurden.
Von der Fibromyalgie unterscheiden muss der Arzt Krankheiten, die auf den Rücken beschränkt sind („statisch-myalgische“ Syndrome), den örtlich begrenzten Weichteilrheumatismus (z.B. den „Tennisellenbogen“), Fettgewebserkrankungen, entzündliche Weichteil- und Gelenkerkrankungen, Arthrosen, reine Depressionen, Schilddrüsenerkrankungen, Virusinfektionen u.a.

Die Fibromyalgie ist keine seltene Erkrankung. Es wird eine Häufigkeit von weit über 1% in der Bevölkerung angenommen. Frauen sind etwa acht Mal häufiger betroffen als Männer.
Die meisten Patientinnen/Patienten erleiden die Erkrankung im mittleren Lebensalter, wenngleich die Beschwerden schon bei Jugendlichen oder gar Kindern beginnen können.

Die Diagnose beruht auf der genauen Erfragung der Krankengeschichte und auf der körperlichen Untersuchung. Erhöhte Druckschmerzen werden an bestimmten Körperstellen, meist an den Ansatzstellen von Sehnen gefunden. Da es bisher keine Laborveränderungen gibt, die als Nachweis für die Erkrankung gelten, dienen Blutuntersuchungen und ggf. Röntgenuntersuchung vor allem dem Zweck, andere evtl. in Frage kommenden Erkrankungen auszuschließen.

Wie wird die Fibromyalgie behandelt?

Da die Erkrankung nicht auf einer einzelnen erkennbaren Ursache beruht, muss die Behandlung an den unterschiedlichen Beschwerden angreifen. Sie erfordert deshalb viel Geduld und ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt. Als hilfreich hat sich die Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Psychologen, Krankengymnasten und Selbsthilfegruppen erwiesen. Stationäre Aufenthalte in Rheuma-Fachabteilungen oder Rheuma-Fachkliniken, die Erfahrung mit der Fibromyalgie haben, sind vor allem bei schweren Verläufen sinnvoll.

Physikalische Therapie

Bei vielen Patientinnen/Patienten besteht eine Verspannung, vor allem im Rücken, häufig auch kombiniert mit einer Fehlhaltung sowie Verkürzung der Muskeln. Dagegen ist die reine Gelenkbeweglichkeit meist ausreichend; bei manchen Patientinnen/Patienten besteht sogar eine Überbeweglichkeit. Da gymnastische Übungen häufig mit Schmerzen, Überanstrengung und somit Frustrationen verbunden sind, ist es notwendig, Bewegungsübungen sehr langsam zu beginnen und nur langsam und vorsichtig zu steigern. Für den Erfolg ist es auch wichtig, dass die Bewegungsübungen Freude machen (mit Musik) und nicht als „Drill“ angesehen werden. Bedingt durch den Auftrieb wird die Bewegung auch gut im warmen Wasser (Warmbadetag im Hallenbad, Thermalbad) vertragen.

So macht es Sinn, leichte Bewegungsübungen mit Übungen, die die Fitness steigern, zu verbinden. Auch hier muß ganz vorsichtig mit dem Training begonnen werden, z.B. etwas flotteres Gehen, Schwimmen, Fahrradfahren oder Tanzen. Dass der Körper wirklich belastet wird, zeigt sich durch Schwitzen und Pulssteigerung.  Weiterhin gibt es viele Dehnungsübungen der Muskulatur, die nach Anleitung durch Krankengymnasten selbst durchgeführt werden können. Wird Wärme oder auch Kälte gut an schmerzenden Stellen vertragen, so kann diese Hilfe mittels warmen Vollbädern, Wärmepackung oder aber Kältepackung auch selbständig durchgeführt werden. Teilweise haben Rückenmassagen einen beschwerdelindernden Effekt.

Medikamentöse Therapie

Bei kritischer Betrachtung der medikamentösen Therapiemöglichkeiten haben Schmerzmittel (z.B. Paracetamol) oder auch cortisonfreie Antirheumatika nur bei einem Teil der Patientinnen/Patienten einen (meist bescheidenen) Effekt. Diese Medikamente sind am besten als Bedarfsmedikation zu nehmen. Narkotische Schmerzmittel (Opiatabkömmlinge) und Cortison sind bei dieser Erkrankung nicht hilfreich. Leider bewirken auch sogenannte muskelentspannende Medikamente nur bei einem geringen Teil der Patientinnen Linderung der Beschwerden. Die Medikamentengruppe der Antidepressiva zeigt bei gut der Hälfte der Patientinnen mindestens über einige Zeit Erfolge im Sinne einer Besserung des Nachtschlafes und einer Verringerung der Schmerzen. Die Dosis ist bei der Behandlung der Fibromyalgie deutlich niedriger als im Einsatz gegen Depressionen und wird hier nicht als Antidepressivum verwendet.

Die Einnahme des Antidepressivums empfiehlt sich abends, etwa 2 Stunden vor dem Schlafengehen. Manchmal kommt es zu Mundtrockenheit oder zu starker Müdigkeit noch am nächsten Morgen. In vielen Fällen bessern sich diese Nebenerscheinungen nach einigen Tagen der medikamentösen Einnahme, sonst muss die Dosis verringert werden.

Reine Schlaf- und Beruhigungsmittel sind wegen des Gewöhnungseffektes und wegen oft unzureichender Wirksamkeit zurückhaltend zu beurteilen und sollten nicht über lange Zeit angewendet werden. Zudem ist die Schlafqualität trotz Verlängerung der Schlafzeit beeinträchtigt. Neue Medikamente, die auf einer Beeinflussung von Übertragerstoffen im Gehirn (Serotonin) beruhen, sollen Schlaf und Schmerzen lindern. Sie sind derzeit in Erprobung. Ab der Menopause kann eine Hormontherapie zu einer Besserung des Befindens führen, insbesondere wenn zusätzlich starke Wechseljahrbeschwerden bestehen und auch die Schlafqualität dadurch beeinträchtigt wird. Insgesamt muss derzeit davon ausgegangen werden, dass die Erkrankung durch die genannten medikamentösen Maßnahmen nur unterstützend behandelt werden kann.

Psychologische Hilfen

Zu den körperlichen Beschwerden kommen nicht selten auf Grund der Einschränkung im Alltagsleben Schuldgefühle, verminderte Selbstwertgefühle und auch ein vermindertes Zutrauen zu den eigenen Gefühlen. Weiterhin können Patienten und Patientinnen zusätzlich zu den Schmerzen durch seelischen Stress, Angstgefühle und depressive Reaktionen geplagt sein.

Für diese Beschwerdeformen haben sich Gespräche mit Psychologen oder psychotherapeutisch erfahrenen Ärzten gut bewährt. Weitere auch für die Mitbehandlung der Fibromyalgie geeignete Verfahren sind Entspannungstechniken wie Muskelentspannung nach Jakobsen, autogenes Training, Meditation, Biofeedback und Entspannung durch Phantasiebilder. Durch psychologische Schmerzbehandlungsmethoden können Sie Schmerzbewältigungstechniken erlernen.

Autoren:

Dr. Wolfgang Bruckle, AK Weichteilrheumatismus der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie
Dr. M.H. Weber

Redaktion: Susanne Walia

Herausgeber:    

Deutsche Rheuma-Liga
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