Die chronische Polyarthritis (oder rheumatoide Arthritis):

Die rheumatoide Arthritis (oder auch chronische Polyarthritis) ist eine der häufigsten chronisch-entzündlichen Autoimmunerkrankungen des Menschen. Unbehandelt führt diese Erkrankung zu einer Zerstörung der Gelenke und damit zur Schwerbehinderung. Nur selten manifestiert sich die rheumatoide Arthritis in Form einer systemischen Entzündung, die dann auch die Haut und z.B. die Augen mitbefallen kann. Erfreulicherweise sehen wir das mit den neuen Therapieformen nur noch sehr selten.

Es gibt keinen allgemein akzeptierten Faktor, der alleine zur Entstehung der rheumatoiden Arthritis führt, wahrscheinlich ist für die Entstehung eine Summation aus genetischen Faktoren, Umwelteinflüssen oder bakteriellen/viralen Infektionen nötig, die schließlich dazu führen, dass das Immunsystem den eigenen Körper entzündlich angreift (Autoimmunerkrankung). Dabei kann man im Gelenk von Patienten mit einer rheumatoiden Arthritis erkennen, dass Entzündungszellen einwandern, die Gelenkhäute entzündlich aufquellen lassen und die Gewebezellen so aktivieren, dass sie in den benachbarten Knochen und Knorpel einwandern und zerstören.

Symptome beginnen oft langsam

Die Symptome der Patienten mit rheumatoider Arthritis können langsam beginnen: Phasenweise Gelenkschmerzen, die nachts dominieren und zum Teil den Schlaf in den frühen Morgenstunden rauben. Dies führt zu einem Anschwellen der Gelenke mit Rötung und Überwärmung, ganz besonders zu einer Morgensteifigkeit, die für den Rheumatologen einen wichtigen Faktor darstellt, die arthrotischen Gelenkschmerzen von den entzündlich-arthritischen Gelenkschmerzen zu unterscheiden. Diese Gelenkschmerzen betreffen schließlich viele Gelenke („Polyarthritis“!), dies meist in symmetrischer Ausprägung an der rechten und linken Körperhälfte, Hände und Fingergrundgelenke sind in der Regel mitbetroffen.

Hilfreich für die Diagnose ist zum einen der Nachweis des Rheumafaktors sowie der Anti-CCP-Antikörpers, darüber hinaus wird man versuchen, andere entzündlich-rheumatische Erkrankungen auszuschließen. Darüber hinaus ist unter Umständen Ultraschall, Röntgen und/oder Kernspintomographie wichtig, um die Diagnose zu bestätigen und ein Fortschreiten der Knochen- und Knorpelzerstörung frühzeitig erkennen oder ausschließen zu können. Dies sollte durch einen internistischen Rheumatologen befundet werden, denn die Komplexität und die Breite der in den Betracht kommenden Erkrankungen ist groß, die differentielle Therapie bedarf einiger Erfahrung.

Die vier Hauptsäulen der Therapie

Jede Art der Entzündung, dies trifft auch für die rheumatoide Arthritis zu, kennt vier Hauptsäulen der Therapie:

1. Die Therapie mit Cortison

Wichtig ist es zu wissen, dass das Cortison ein natürliches Hormon ist, das wir alle in uns tragen. Cortison hat bei den Patienten, die unter einer chronischen Entzündung leiden, in der Regel sehr wenige Nebenwirkungen mit Ausnahme einer bereits früh einsetzenden Knochenentkalkung, entsprechend sollte mit dem Cortison gleich Calcium und Vitamin D eingenommen werden.

2. Physiotherapie

Ganz entscheidend zum Erhalt der Gelenkarchitektur ist die Bewegung des Gelenkes, ein entzündetes Gelenk sollte somit nicht ruhiggestellt werden, sondern gut mobilisiert werden.

3. Die Schmerztherapie

Die Patienten mit Rheumatoider Arthritis leiden vornehmlich unter den Schmerzen. Hier helfen meistens bereits Schmerzmedikamente wie Diclofenac oder Ibuprofen, unbedingt sollte auf das Nebenwirkungsprofil geachtet werden (gerade bei Patienten mit hohem Herzinfarktrisiko, Magengeschwüren, Nierenveränderungen).

4. Krankheitsmodifizierende Medikamente (DMARD)

Wie oben bereits erwähnt, hat das Cortison in höherer Dosierung einige Nebenwirkungen, die es uns verbieten, dieses Medikament über lange Zeit in hoher Dosierung einzusetzen. Zur Unterstützung des antientzündlichen Cortison-Effektes ist somit notwendig, ein DMARD (auch: Basistherapeutikum) zu verschreiben. Viele Rheumatologen benutzen hier zunächst das Methotrexat, es gibt einige, wenn auch nicht sehr viele Alternativen wie Leflunomid, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin oder Kombinationen der genannten Präparate.

Ziel muss es sein, mit all diesen Medikamenten den Schmerz so gut zu lindern, dass die Lebensqualität optimal ist, dass ein Fortschreiten der Krankheit verhindert wird und dass die im Blut messbaren Entzündungsparameter sich normalisieren.

Weitere Therapie mit Immunbiologika möglich

Sollte eines dieser Ziele nicht erreichbar sein, muss die Therapie gesteigert werden, erfreulicherweise stehen uns hierzu seit nun fast 20 Jahren sog. Immunbiologika zur Verfügung (biologische DMARD). Bei diesen Medikamenten handelt es sich um Eiweißstoffe, die die Eigenschaft eines Antikörpers besitzen, nämlich an eine bestimmte andere Eiweißstruktur zu binden und die Funktion dieser gebundenen Eiweißstruktur zu neutralisieren. Biologische DMARDs müssen als Injektion oder Infusion gegeben werden. Man hat Antikörper entwickelt gegen den Entzündungsbotenstoff Tumor-Nekrose-Faktor alpha (TNF-Alpha), gegen den Interleukin-6-Rezeptor, gegen Interleukin-1 als lösliche Entzündungsvermittler, zum anderen existieren Antikörper gegen Immunzellen wie die B-Lymphozyten (Rituximab gegen CD20 auf diesen Zellen), Abatacept verhindert die Aktivierung der T-Lymphozyten durch Bindung an CD80/86. Erst seit 2017 in Deutschland zugelassen sind die sogenannten JAK (Janus-Kinase)-Hemmer. Dies sind Medikamente welche als Tabletten genommen werden. Sie wirken indem sie in den Entzündungszellen die Wirkung der Botenstoffe blockieren und sind in ihrer Wirkung den biologischen DMARD sehr ähnlich.

Vorteile aller dieser Medikamente sind der gezielte punktuelle Eingriff in das komplexe Immunsystem, die meist gute Verträglichkeit und die oft schnelle Wirkung. Ein entscheidender Nachteil ist der hohe Preis mit einem Jahresaufwand von 15.000 bis ca. 20.000 Euro.

Leider gibt es bis heute keine präventiven Maßnahmen, die es uns ermöglichen, ein Auftreten der rheumatoiden Arthritis  vorherzusagen oder zu verhindern. Wichtige präventive Maßnahmen zur Verhinderung der Gelenkzerstörung sind zum einen die frühzeitige Diagnosestellung der rheumatoiden Arthritis, zum anderen die konsequente Durchführung der o. g. therapeutischen Maßnahmen, dies immer in Zusammenarbeit zwischen Patient, Hausarzt, internistischen Rheumatologen, oft unter Hilfestellung der Rheuma-Liga als größte Patientenselbsthilfegruppe Deutschlands. Die Prävention in unserem Fach kann also nicht auf die Verhinderung der Krankheitsentstehung zielen, sondern muss anstreben, ein Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen.

Professor Dr. Hanns-Martin Lorenz, Leiter der Sektion Rheumatologie der Inneren Medizin V,  Universitätsklinikum Heidelberg; ACURA Rheumazentrum Baden-Baden

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